Eine Kirche – fünf »Gesichter«

In den 125 Jahren ihres Bestehens hat sich das Innere unserer Pfarrkirche mehrere Male drastisch verändert. Jede dieser »Epochen« ist mit dem Namen je eines Pfarrers und einer oder zweier Künstlerpersönlicheiten verbunden.

1. Epoche

Das Allernotdürftigste

Als unsere Pfarrkirche 1893 gebaut wurde, war das für die sehr arme, fast nur aus schlecht bezahlten Textilarbeitern bestehende Gemeinde ein wirklicher Kraftakt. Notwendig wurde er, weil sich die Größe der Gemeinde in kürzester Zeit vervielfacht hatte. So konnte Pfarrer Lohmeyer nur das – wie er es selbst formulierte – »Allernothdürftigste« für die Innenausstattung seiner Kirche beschaffen: einen Hochaltar, eine Kanzel, einen Beichtstuhl und etwas später dann auch einen Marienaltar – alles geschaffen von dem Bildhauer Heinrich Seling. Seling stattete damals zahlreiche Kirchen im Bistum Osnabrück (zu dem seinerzeit auch Schleswig-Holstein gehörte) aus und hat deshalb für die neue Kirche in der Diaspora wohl einiges auch zu »Sonderpreisen« hergestellt (oder herstellen müssen).


2. Epoche

Schmuck und Pracht

Der Nachfolger von Pfarrer Lohmeyer, Pfarrer Münster, blieb 32 Jahre (1898–1930) in Neumünster und war sehr engagiert darin, »seine« Kirche nach und nach auszuschmücken – teilweise nach seinen eigenen Entwürfen. Zwei Künstler standen ihm dabei zur Seite: der Hamburger »Dekorations- und Kirchenmaler« Georg Chrusecz und der Bildhauer Anton Rüller. Chrusecz malte ab etwa 1910 die Kirche komplett aus und schuf vor allem die einzigartige Kassettendecke. Rüller schnitzte eine damals hoch gerühmte Kanzel, einen Herz-Jesu-Altar und zahlreiche Heiligenfiguren. Auch der Nachfolger von Pfarrer Münster, Pfarrer Gartmann, führte diese Epoche fort und bestellte unter anderem einen großen Kreuzweg-Bilderzyklus beim Kirchenmaler Augustin Kolb.


3. Epoche

Der Bildersturm

Mitte der 1960er Jahre fand das 2. Vatikanische Konzil statt, das auch grundlegende Veränderungen der Liturgie beschloss. Das hatte Konsequenzen für die Innengestaltung aller katholischen Kirchen: Die Kanzel wurde durch einen »Ambo« (ein Lesepult) ersetzt, statt eines Hochaltars sollte es einen Altartisch geben und der Tabernakel bekam einen anderen Platz im Kirchenraum. Diese an sich schon tiefgreifende Umgestaltung wurde in vielen katholischen Kirchen – vor allem in Norddeutschland – als Anlass für eine radikal »moderne« Neugestaltung des ganzen Kirchenraums genutzt – alles musste hell und schlicht sein, insbesondere die Heiligenfiguren wurden in Keller und auf Dachböden »verbannt«, Wand- und Deckenmalereien wurden übermalt. Die Kirchen waren zum Teil nicht mehr wiederzuerkennen – so auch in Neumünster.

Nach einigen Jahren wurde der Gemeinde das nüchterne Weiß und Grau des Kirchenraums wohl doch etwas zu eintönig. Der bereits für die 1966er Renovierung zuständige Kirchenkünstler Prof. Frans Griesenbrock entwickelte deshalb ein neues Farbkonzept. Man beachte vor allem auch die dem 1970er-Zeitgeschmack entsprechenden bunten, geometrischen Formen, mit denen die Decke bemalt wurde – von Spöttern gerne als »Pril-Blumen« bezeichnet.


4. Epoche

Synthese und Harmonie

1993 kam Pfarrer Haneklaus nach Neumünster und begann umgehend mit Plänen zu einer nochmaligen grundlegenden Umgestaltung des Kirchenraums. Von 1994 bis 1995 dauerten die umfangreichen Renovierungs-und Restaurierungsarbeiten, die zum Ziel hatten, Altes und Neues harmonisch miteinander zu verbinden. Die Heiligenfiguren, verschiedene Kreuze und der Herz-Jesu-Altar wurden wieder aus dem Keller geholt, die übermalte Kirchendecke wurde freigelegt und aufwendig restauriert. Auch die ornamentale Ausmalung der Kirche wurde zum Teil – unter Vermeidung früherer Üppigkeiten – wiederhergestellt. Und die wichtigsten liturgischen Orte in der Kirche (Ambo, Altartisch, Taufbecken und Tabernakel) wurden von den Brüdern Winkelmann ganz neu gestaltet. Ihnen ist vor allem auch zu verdanken, dass sich Alt und Neu in der heutigen Gestalt der Kirche harmonisch verbinden.